Gender-Bewusstsein


Ein Beitrag über Gender, biologische Realität, Bewusstsein und die Rückkehr der weiblichen Urkraft


Biologische Realität ist keine Meinung

Ich möchte beginnen, indem ich meine Haltung zu einem Punkt klar benenne, der in der aktuellen Gender-Debatte oft ausgeblendet oder bagatellisiert wird: den biologischen Grundlagen des Menschseins.

Wir sollten über Identitäten sprechen, über Gefühle, über unser Menschsein und was dies alles mit sich bringt. Aber wir dürfen dabei nicht körperliche Wirklichkeiten ausklammern. Denn diese sind keine Meinung, sondern beobachtbare Realität:

Es gibt zwei biologische Geschlechter, männlich und weiblich, mit seltenen intersexuellen Ausnahmen.

Männer und Frauen unterscheiden sich in ihrer Genetik (XY vs. XX), ihrem Hormonhaushalt, ihrer Knochenstruktur, Muskelmasse, Körperfettverteilung, ihrem Nervensystem, ihrer Reaktionsweise auf Stress, Schmerz und Bindung.

Diese Unterschiede sind nicht „konstruiert“, sondern Teil unserer natürlichen Entwicklung.

Sie sollten nicht bewertet, aber auch nicht geleugnet werden. Denn ein Diskurs, der das Biologische verdrängt, verliert seinen Boden. Und ein Mensch, der sich selbst nur im Denken über sich definiert, verliert seine Verkörperung und mit ihr: seine Kraft.

Gerade in meiner beruflichen Praxis als Fachperson sehe ich, wie wichtig es ist, feinfühlig mit diesen Themen umzugehen. Ich beobachte immer wieder, wie gutmeinende Fachkräfte, oft selbst verunsichert oder ideologisch überladen, Kinder und Jugendliche mit Konzepten konfrontieren, die diese überfordern, verwirren oder von ihrer eigentlichen Entwicklung ablenken. Nicht, weil die Themen an sich falsch wären sondern weil der Zeitpunkt, der Kontext und die Reife nicht stimmen.

Ich habe nichts gegen verweiblichte Männer oder vermännlichte Frauen. Ich bin selbst eine Frau, die viele klassisch männliche Qualitäten entwickelt hat und sehr dankbar dafür ist. Aber ich habe Mühe, wenn solche komplexen Prozesse undifferenziert als „Allgemeinwissen“ an Kinder weitergegeben werden, ohne das nötige Gespür, ob es der jeweilige junge Mensch in diesem Moment überhaupt braucht oder dadurch eher in eine Identitätskrise gestoßen wird, die vermeidbar gewesen wäre.

Was Kinder brauchen, ist Verwurzelung, Halt, Orientierung und liebevolle Spiegelung nicht ideologische Verwirrung oder vorgegriffene Identitätskonstruktion.


Wenn Sprache an ihre Grenzen kommt: das Missverständnis zwischen den Ebenen

Wichtig in diesem Zusammenhang finde ich uns bewusst zu machen dass wir in Debatten über Gender, Identität, Körper und Rollenbilder oft aus völlig unterschiedlichen Bewusstseinsebenen sprechen. Die einen sprechen aus soziologischer Analyse, die anderen aus biologischer Evidenz, manche aus spiritueller Tiefe. Und so reden wir oft aneinander vorbei, während die Verwirrung wächst…vor allem bei jenen, die noch auf der Suche nach sich selbst sind.

Ich glaube: Was wir als „Gender-Debatte“ erleben, ist in Wahrheit ein kollektiver Schrei nach seelischer Integration. Wir versuchen, eine innere Aufgabe, die Vereinigung von weiblichem und männlichem Pol in uns, auf der gesellschaftlich-politischen Bühne zu lösen. Und wundern uns, warum es nicht funktioniert.


Jung, Archetypen und die vergessene Tiefe

Schon C. G. Jung schrieb, dass jeder Mensch die Aufgabe hat, Anima und Animus, die weibliche und männliche Seele in sich zu erkennen und zu versöhnen. Nicht, um sich selbst aufzulösen sondern um ganz zu werden. Doch nicht nur Jung. Auch uralte spirituelle Überlieferungen aus verschiedenen Kulturen, der Taoismus, Tantra, die Gnosis, die Mystik sprechen von diesen kosmischen Kräften. Von Shakti und Shiva, von Yin und Yang, von Sophia und Logos. Diese Archetypen wirken nicht als Rollenklischees, sondern als innere Kräfte, die entweder im Licht oder im Schatten liegen. Uns dies vor Augen zu führen ist essenziell für diesen Diskurs.


Meine Geschichte: Vom Schatten zur Selbstwirksamkeit

Ich habe am eigenen Leib erfahren, was geschieht, wenn das Weibliche im Schatten liegt. Meine chaotische Kindheit und Jugend haben mich tief geprägt und dazu geführt, dass zentrale weibliche Qualitäten, in Jungscher Terminologie, in den Schatten geraten sind. Daraus entstand in mir emotionales Chaos, Ohnmacht, Abhängigkeit, Orientierungslosigkeit. Als sehr junge, alleinerziehende Mutter musste ich somit meine männlichen Qualitäten zu entwickeln, damit mein Leben und das meiner Kinder nicht komplett zerfällt.

Ich musste mir also Struktur, Klarheit, Mut, Disziplin, Ordnung, Unabhängigkeit und Zielgerichtetheit erarbeiten, also männliche gesunde und lebensnotwendige Eigenschaften aus dringlicher Notwendigkeit. Diese Qualitäten haben mich in meine Selbstwirksamkeit geführt. Dafür bin ich heute zutiefst dankbar.

Heute, mit 42 Jahren, stehe ich an einem Punkt, an dem ich meine weiblichen Qualitäten im Licht zunehmend vermisse. Weichheit, Empfangsbereitschaft, Zärtlichkeit, Präsenz im Körper. Ich spüre dass ich diese brauche um in meiner Entwicklung fortzuschreiten.

Das leise Verlangen zeigt sich schon seit einigen Jahren doch letzte Woche vernahm ich den unüberhörbaren Ruf. Genau in der Woche in der ich mich durch die Gender-Debatte herausgefordert fühlte, in der ich mit Gegenwind zu kämpfen hatte und in der ich zufälligerweise den Weg betreten habe, meinem Beckenboden Aufmerksamkeit zu schenken, und Achtsamkeit in meinen Unterleib fliessen zu lassen. In mir flüstert seither eine leise Stimme: Es geht nicht nur um gesellschaftliche Debatte. Es geht um Rückverbindung.

Meine Großmutter, die mich liebte, weinte, als ich geboren wurde. Weil sie glaubte: „Frauen kommen nur zum Leiden auf die Welt.“ Meine Mutter, wuchs als einziges Mädchen unter sechs Brüdern auf, in einer südamerikanischen Kultur, geprägt vom Katholizismus, in der Frauen kaum Raum hatten. Ich weiß, was Konditionierung bedeutet. Ich weiss was Zuschreibungen und Erwartungen an Männer und Frauen mit ihnen machen und wie schädlich sie sein können wenn sie dem Wesen dahinter nicht entsprechen. Ich bin froh sprechen wir darüber und werden uns bewusst dass dies nicht sein darf. Das niemand aufgrund seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung abgewertet werden darf. Doch dies wird sich aufgrund Bewusstseinserweiterung und kollektiver Traumaheilung verändern, mehr als durch Ideologie, Beschuldigungen und Zensur.


Zwischen den Welten. Mein Ruf zur Integration

Ich selbst trage also die Erfahrung in mir, was es heißt, sich vom eigenen Ursprung abgeschnitten zu fühlen. Sich als Frau klein zu machen in einer Welt, in der Grenzen ständig überschritten werden aufgrund von Machtverhältnissen. Es war ein langer Weg zur Erkenntnis dass ich selbst Schöpferin bin. Lebendig. Bewohnt von der weiblichen Urkraft, die erschafft, heilt und befreit.

Und diese Kraft ist nicht weichgespült. Sie ist wild, nährend, fordernd, heilend, zerstörend und lebendig. Und sie ruft zurück. Nicht zurück in alte Rollenmuster. Sondern zurück in die Verwurzelung im Körper, im Gefühl, im Herz und meiner Meinung nach auch im Geschlecht.

Auch wenn ich eine klare Haltung aus tiefer Verkörperung vertrete sehe ich über allem meine Aufgabe darin, zwischen den Ebenen zu übersetzen. Zwischen dem Denken und dem Fühlen. Zwischen Biologie und Archetyp. Zwischen akademischer Sprache und gelebter Wahrheit. Und dabei stehe ich klar:

Für Wahrheit, die heilt. Für Diskurse, die differenzieren dürfen, ohne zu spalten. Für Frauen, die sich erinnern an ihre Kraft, an ihre Würde, an ihren Ursprung. Und für Männer, die nicht entmachtet, pathologisiert oder beschuldigt werden sondern neu gesehen, jenseits des alten Machtsystems.

Ich glaube: Erst wenn wir erkennen, dass sich viele gesellschaftliche Konflikte nicht durch politische Argumente lösen lassen, sondern durch Bewusstwerdung, Innenschau und Integration, dann beginnt ein neuer Weg.

Ein Weg, den wir nicht gegeneinander, sondern füreinander gehen.


Was das Patriarchat nicht erklärt und warum Schuldzuweisungen in die Irre führen

Oft wird das Patriarchat pauschal für all das benannt, was in den letzten Jahrhunderten an Unterdrückung, Missbrauch und Zerstörung geschehen ist. Ich halte das für einen folgenschweren Fehler. Denn so wird, meist unausgesprochen, suggeriert, dass „die Männer“ das Problem seien. Aus meiner Sicht stimmt das nicht. Ja, es waren mehrheitlich Männer, die die Welt in den letzten Jahrhunderten dominiert haben. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit.

Was in Wahrheit wirkte, war nicht einfach Männlichkeit, sondern männliche Kraft im Schatten. Dort, wo Klarheit zur Kontrolle wird, Mut zur Gewalt, Struktur zur Unterdrückung. Und das kann, und tut auch, von Frauen genauso ausgehen.

Machtmissbrauch, Kontrollsucht und Überheblichkeit sind keine Frage des Geschlechts. Sie sind Ausdruck innerer Spaltung und kollektiven Traumas. Wer hinschaut, sieht: Auch Frauen, besonders in königlichen oder herrschenden Klassen, haben die gleichen Schattenanteile gelebt wie Männer. Sie haben manipuliert, dominiert, unterdrückt – nicht weil sie Frauen waren, sondern weil sie Macht ohne Bewusstsein ausgeübt haben.

Deshalb: Nicht das Patriarchat ist das eigentliche Problem, sondern unbewusste Macht. Und diese zu heilen, ist keine Frage von Schuld sondern von Reife, von Fühlen und vielleicht von tiefer Verwurzelung in dem was wir in Wahrheit sind.